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Samstag, 28. September 2013

Casper ist und bleibt ein Phänomen

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//Willkommen im Hinterland// begrüßt Benjamin Griffey mich nach zwei Jahren Abstinenz auf seinem neuen Album. 'Hinterland', das passt perfekt zu Casper. Vorstädte die in Belanglosigkeit ertrinken und jeden noch so kleinen Traum ersticken lassen, White Trash der im Trailerpark vor sich hin vegetiert. Das Hinterland, der Ort, den man so schnell wie möglich hinter sich lassen möchte. Der gigantische Hype des Vorgängeralbums 'XOXO' wurde zwar nicht komplett aufrecht gehalten, die allgemeine Vorfreude auf 'Hinterland' schien aber doch noch relativ groß zu sein und das kann ich irgendwie gar nicht verstehen. Ich kann nicht verstehen wie Casper so erfolgreich geworden ist. Eigentlich spricht alles gegen ihn und seine Musik. Der Junge stellt sich gegen das System, mischt punkige Elemente mit Rap, der eher Texten der Hamburger Schule gleicht als denen anderer Rap-Kollegen. Warum findet so was die kreischende Durchschnitts-Teenagerin gut und warum bin ich trotzdem großer Fan von Bens Musik?

Ich meine seine Texte sind nicht gerade durch die Belanglosigkeit vieler deutscher Texter geprägt. Benjamin rappt/singt weder davon, wie unglaublich geil er doch ist, noch schreibt er lustige oder Inhaltslose Texte, wie bei den Teenies favorisierten 'Musikern' a la Tim Bendzko. Mehr sein als Schein ist die Devise. Ich verstehe wirklich nicht was die Jugend an Cas findet, eigentlich scheint er wie gemacht für kleine Bühnen in Hinterhöfen und Festivals von denen man noch nie zuvor gehört hat. Der heiße Scheiß den niemand kennt halt. Und doch lieben so viele den Punker der deutschen Rap-Szene. Wir Sprechen natürlich nicht von den hippen Menschen, die 'XOXO' in den Himmel gelobt haben und 4 Monate später den Namen Casper nichtmal mehr in den Mund genommen hätten. Die gibt es leider zu Hauf, aber die haben anscheinend sowieso nie etwas an der eigentlichen Musik gefunden. Sind die Teeniehorden also ähnlich, nur dass sie die Durststrecke zum neuen Album ausgehalten haben und erst in ein paar Wochen die Notbremse ziehen werden?

Möglich. Vielleicht hat Cas auch einfach etwas geschafft, was heute nicht mehr viele Leute schaffen. Er hat die Menschen begeistert. Vielleicht nicht durch die Instrumentierung seiner Songs, die immer öfter angekreidet wird, aber vielleicht durch seine ehrlichen, melancholischen aber trotzdem hoffnungsvollen Texte. Ich glaube darin liegt sein Erfolg. Casper ist einer der wenigen populären Stars, der Musik liebt und auch für sie lebt. Sein Lebensweg ist vollkommen greifbar und wenn er dann im Schützenheim vier Mal hintereinander // Zu viele scheiß Bands, zu viel Hype// brüllt, möchte man einfach vor Freude weinen. Außerdem versteht es kaum einer so gut eine Stimmung zu vermitteln wie er. Man denke nur an das donnernde 'Der Druck steigt'. Nach jedem Hördurchgang möchte man den Bundestag stürmen und seine eigene Flagge hissen während der Großteil der Meute //Wir holen zurück was uns gehört!// schreit. Ich weiß nicht ob die meisten Casper-Fans diese Schönheit der Texte sehen, aber ich würde es mir wirklich wünschen. Ich sehe es tausend Mal lieber, wenn eine 6. Klässlerin Thees Uhlmanns magische Worte //Zu Hause ist da, wo man sich vermisst// aus 'XOXO' auf ihr Federmäppchen gekritzelt hat, als irgendwelche weichgespülten Parolen, die sie im Radio aufgegabelt hat.




Jetzt aber noch ein paar Worte zu 'Hinterland'. Ich als Fan der beiden Vorgängeralben habe mich natürlich nicht Lumpen lassen und das neueste Machwerk auf Doppel-Vinyl bestellt. Da kommt das wirklich gewöhnungsbedürftige, aber passende Cover nochmal besser zu Geltung. 11 Tracks sind auf Hinterland zu finden, 2 weniger als auf XOXO. Eingeleitet wir das Album durch die Vorab-Single 'Im Ascheregen'. 2 Minuten Intro und dann nochmal 3 Minuten einen der besten Songs des Jahres. Das Lied ist einfach perfekt. Danach geht es mit dem Titeltrack 'Hinterland' weiter, verträumte Instrumentierung trifft auf einen hoffnungslosen Text. Zurecht der Titeltrack geworden. Das ganze Album ist Genreungewöhnlich übrigens sehr gitarrenlastig geworden, mich freut das ungemein, das dürfte aber bestimmt einige aufregen. Zu jedem Beat gibt es im Hintergrund mindestens noch eine dezente Akustik-Gitarre, die den jeweiligen Track aus seinem starren HipHop-Korsett löst. Dritter Track: 'Alles Endet (Aber nie die Musik)'. Ab diesem Punkt dachte ich wirklich, ich höre gerade ein Jahrhundertalbum. Alles griff bis zu diesem Zeitpunkt perfekt ineinander. In 'Alles Endet' geht es um die Liebe zur Musik, passend dass gerade dieses Lied mit einem Zitat von Turbostaat eingeleitet wird. Schnell aufbauend treibt der Track durch die Strophe und explodiert förmlich in der Hook:

//Alles endet, aber nie die Musik!
Die wollen nur spielen
Lass die spielen
Wo die guten Jungs an schlechten Orten
Ohne Hoffnung, ohne Sorgen, nasenblutend, 6 Uhr morgens, spielen
Zu dem Beat
Alles endet aber nie die Musik//

Fantastisch. Genau in diesem Track scheint wieder Caspers wichtigste Qualität durch. Der Junge liebt Musik einfach und ist eben nicht nur dem Rap-Genre zugeneigt, sondern hat auch ein Indie-Herz, bzw. generell eine Liebe zu hoffnungslos in ihrem Werk verlorenen Künstlern. Da wundert es nicht, dass seine Songs nur so von Zitaten überquellen. Egal ob 'Die Sterne', 'Turbostaat', 'Oasis', 'Slime', 'Tomte' oder 'Frank Turner'. Alles was Rang und Namen hat wird zitiert und fast schon Tarantinoesque ineinander verbaut. Weiter macht das Album mit 'Nach der Demo gings bergab', '20qm', 'Lux Lisbon' und dem herausragenden 'Ariel'. Danach folgt mit Track 8 'Ganz schön Okay' und ab diesem Punkt stimmt das leider auch. Alles ist echt ganz gut, begeistert hat es mich aber nicht mehr, gerade 'Jambalaya' mit seinem Cheerleader-Flair ist mir doch sauer aufgestoßen. Und auch der letzte Track 'Endlich angekommen' war nicht mehr als Mittelmaß, gerade der Rausschmeißer hätte einfach besser sein müssen. 'XOXO's' 'Kontrolle/Schlaf' war da ein ganz anderes Kaliber voller Schmerz, 'Endlich Angekommen' wirkt dagegen eher lustlos runtergerappt.



Zum Jahrhundertalbum hat es also nicht gereicht, nichtsdestotrotz ist Hinterland ein super Album geworden. Ich hätte mir einfach ein wenig mehr Konzept gewünscht, in XOXO passte alles wunderbar zusammen. Das Album war wirklich rund, Hinterland bricht ab Hälfte des Albums leider mit seiner bedrückend hoffnungsvollen Atmosphäre. Wir machen das Bewertungstechnisch jetzt mal so wie bei Filmen. Wir ordnen anstatt Stream, DvD und Kino in Mp3, CD, und Vinyl.

Ihr solltet auf Vinyl kaufen.

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